Jugendliche sind die Vergessenen in der Corona-Pandemie

Einfach auch mal gehört werden. Linus, Simon und Sarah (alle 19) erzählen bei Radio Berg, wie es ihnen geht und sprechen damit wohl für viele junge Leute in ihrem Alter. Sie werden als Letzte geimpft werden und bis zum Schluss warten müssen, während wir Älteren uns um Impftermine und Privilegien prügeln.

© Symbolbild/Pixabay

Im letzten Jahr haben wir alle viel über alte Menschen gesprochen - weil sie besonders gefährdet sind. Wir haben über Berufstätige gesprochen, die aus dem Homeoffice arbeiten und über Eltern, die beim Homeschooling helfen müssen, über Kinder, die Homeschooling machen müssen. Worüber wir alle kaum gesprochen haben, sind Jugendliche, ältere Jugendliche oder junge Erwachsene. Die sich an die Regeln gehalten haben. Und die warten. Seit einem Jahr und weiter. Denn sie werden die Letzten sein, die geimpft werden.

"Ich hab aufgehört, mir Gedanken über die Zukunft zu machen"

... sagt Sarah, aus Gummersbach-Frömmersbach. "Weil man halt nicht weiß, wie's weitergeht". Bei Simon aus Engelskirchen-Grünscheid klingt es noch etwas dramatischer:

Man hat viel Zeit zum Nachdenken und da kommen komische Gedanken bei raus. Man denkt über's Leben nach, was ist der Sinn. Oder warum es überhaupt Sinn machen muss.

Da ist Linus aus Loope noch gut dran, er hat "nur" Schlafstörungen.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) kritisiert die politische Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie und berichtet von einer dramatischen Situation in vielen Psychiatrien. "Es gibt psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben", sagte BVKJ-Sprecher Jakob Maske der Rheinischen Post. "Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll, dort findet eine Triage statt: Wer nicht suizidgefährdet ist und 'nur' eine Depression hat, wird gar nicht mehr aufgenommen."



Seit einem Jahr nichts mehr erlebt

In einem Alter, wo man noch die Möglichkeit hat, viel zu erleben und das auch tun sollte, sitzen Jugendliche wegen Corona fest - und allein.

Eigentlich habe ich mir das Abitur ein bisschen anders vorgestellt. Nicht alleine zu Hause zu sitzen.

sagt Simon.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass wir schon seit über einem Jahr jetzt so nichts wirklich erlebt haben

ergänzt Sarah.

Linus musste seinen Mannschaftssport aufgeben und hat zugenommen. Er schläft schlecht, weil er sich tagsüber zu wenig bewegt. Während Sarah noch zu ihrem Pferd raus geht, können sich die Jungs kaum noch aufraffen. Sie verbringen viel Zeit vor der Playstation.

Am Anfang des Lockdowns da hat man noch angefangen was zu malen, neue Sachen auszuprobieren. Jetzt sitzt man einfach nur noch rum und denkt sich ... bäääh.... Warten wir es einfach ab. Es gibt irgendwie nichts mehr, was man noch machen kann. Außer halt sitzen und warten. (Linus)
Sarah (Privatbild)© privat
Sarah (Privatbild)
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Das Einzige, was ich im Moment noch machen kann und darf, ist zum Pferd fahren. Aber sonst mache ich halt auch nicht wirklich viel. Mit Freunden ist auch nicht wirklich groß was, weil treffen darf man sich ja nicht in dem Ausmaß, wie man es gerne hätte. (Sarah)

Als Letzte geimpft zu werden, während Oma und Opa schon wieder Urlaub machen

Dass Deutschland entschieden hat, die Älteren zuerst zu impfen, können alle drei nachvollziehen. Obwohl sich hin und wieder Zweifel einschleichen. Besonders die Privilegien für Genesene ärgern die Freunde: Wer illegal Party gemacht habe, sagen sie, und sich dabei infiziert habe, der werde jetzt dafür mit Privilegien belohnt.

Ich hätte auch auf irgendeine Party gehen können, zu Hause zwei Wochen chillen und dann wäre es jetzt super. (Linus)

Zwei der drei stehen auf Wartelisten zum Impfen, wissen aber nicht, was das bedeutet: Werden Sie bald angerufen? Oder später? Oder nie?

Dann habe ich nachgelesen, dass im Oberbergischen auch wieder alle Termine vergeben sind. Man ist dann auch wieder ein bisschen bedrückt. (Sarah)

Allein gelassen mit der Traurigkeit

Habt ihr Hilfe in der Schule oder zu Hause bekommen, fragen wir. Linus:

Das meiste, was von dieser Seite kam, war, dass der Lehrer im Onlineunterricht gefragt hat: Wie geht's euch denn?

Sarah:

Aber dann wurde auch keine Rücksicht genommen und eine Minute später Unterricht gemacht.

Auch die Eltern seien mit sich selbst beschäftigt gewesen. Überhaupt haben die drei Verständnis sowohl für Lehrer*innen als auch für Eltern. Darüber bleiben sie weiterhin allein mit ihrem Frust.

© Radio Berg
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