Miliz erobert Darfur - Droht dem Sudan der Zerfall?
Veröffentlicht: Dienstag, 28.10.2025 13:05

Blutiger Machtkampf
Khartum (dpa) - Sudans westliche Region Darfur ist nach dem Rückzug der Armee aus der Großstadt Al-Faschir nun fast komplett unter Kontrolle der paramilitärischen Miliz Rapid Support Forces (RSF). Damit erreicht der zweieinhalbjährige Konflikt zwischen der Armee und RSF einen neuen Höhepunkt. Die UN beschreiben die Lage im Sudan als die größte humanitäre Krise der Welt. Steht eine weitere militärische Eskalation bevor?
Worum geht es in dem Konflikt?
In dem ostafrikanische Staat herrscht seit April 2023 ein blutiger Machtkampf zwischen De-facto-Machthaber Abdel-Fattah al-Burhan und seinem einstigen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, der die RSF kommandiert. Im Kern geht es um die Kontrolle über Staat und Ressourcen. Die Generäle hatten nach dem Sturz des Langzeitdiktators Omar al-Baschir 2019 gemeinsam die Macht ergriffen. Sie zerstritten sich aber über die Frage, ob die militärisch und wirtschaftlich mächtige RSF in die Armee integriert oder als eigenständige Macht bestehen sollte. Anfang des Jahres gründeten die RSF formell eine Parallelregierung für die von ihnen kontrollierten Gebiete.
Während die Armee die Hauptstadt Khartum zurückerobern konnte, haben die RSF die Kontrolle über Darfur an der Grenze zum Tschad gewonnen. Dies hat Befürchtungen ausgelöst, dass sich das Land dauerhaft spalten könnte. 2011 machte sich bereits der Südsudan aufgrund ethnischer, religiöser und wirtschaftspolitischer Gründe nach langem Bürgerkrieg vom Sudan unabhängig.
Spielen ethnische Faktoren eine Rolle?
In der Region Darfur ist der aktuelle Konflikt maßgeblich von ethnischen Faktoren geprägt, die eng mit Fragen von Landrechten, Ressourcenverteilung und politischer Marginalisierung verwoben sind. Dabei geht es vor allem um Konkurrenz um Land und Wasser zwischen traditionell nomadischen, arabischen Volksgruppen und sesshaften, nicht-arabischen Gruppen.
In vergangenen Jahrzehnten förderte die Regierung systematisch ethnische Spannungen in Darfur, indem sie arabische Milizen (Dschandschawid) gezielt unterstützte, um Aufstände in der sich benachteiligt fühlenden nicht-arabischen Bevölkerung zu unterdrücken. Die RSF ist eine Nachfolgeorganisation der Dschandschawid.
Wie ist die Lage in Al-Faschir jetzt?
Seitdem Al-Faschir unter Kontrolle der RSF gefallen ist, warnen die UN vor einer weiteren drastischen Verschlechterung der humanitären Lage. Die Hauptstadt des Bundesstaats Nord-Darfur war die letzte der vier Provinzhauptstädte der Region unter Kontrolle der Armee. Hunderttausende hatten in der Nähe Schutz vor der RSF gesucht. Die Miliz belagert die Stadt seit anderthalb Jahren, die Bevölkerung litt unter großem Hunger, Krankheiten und Angriffen. Nach UN-Schätzungen leben in Al-Faschir noch bis zu 300.000 Menschen.
Sie können nicht fliehen, harren in Angst aus und haben keinen Zugang zu Nahrungsmitteln oder gesundheitlicher Versorgung, wie Tom Fletcher, der Leiter des Nothilfebüros der Vereinten Nationen (Ocha), erklärte. Es wird befürchtet, dass der Bevölkerung und den Flüchtlingen durch die RSF Tötungen, Folter und Vergewaltigungen sowie ethnische motivierte Vertreibung drohen.
Was für ein Land ist der Sudan?
Der ostafrikanische Staat am Horn Afrikas mit rund 50 Millionen Einwohnern vor dem Krieg ist eines der rohstoffreichsten Länder Afrikas und verfügt über eine Vielzahl bedeutender Bodenschätze, einschließlich Gold, Erdöl, Kupfer, Eisen und Uran. Die Gewinne aus dem Rohstoffsektor kommen einer kleinen Elite des Landes zugute, die damit auch immer wieder bewaffnete Konflikte finanziert, während der Rest der Bevölkerung in Armut lebt.
Fliehen Menschen aus dem Sudan nach Deutschland?
Die UN werten die Lage im Sudan als derzeit größte humanitäre Krise der Welt. Mehr als zwölf Millionen Menschen sind auf der Flucht, hauptsächlich in angrenzende Staaten, wie den Tschad, Äthiopien oder den Südsudan aber auch über das Rote Meer nach Jemen und Saudi-Arabien. Eine größere Fluchtbewegung nach Deutschland gibt es nicht.
Welche ausländischen Staaten haben Interessen im Sudan?
Die sudanesische Regierung, aber auch UN-Experten und US-Vertreter werfen den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, die RSF seit Beginn der Kämpfe mit Geld und Waffenlieferungen zu unterstützen. Der Golfstaat weist dies zurück. Der nördliche Nachbar Ägypten ist ein enger Verbündeter der sudanesischen Armee und vor allem an Stabilität interessiert. Auch Saudi-Arabien und der Iran stehen Beobachtern zufolge auf der Seite des De-facto-Machthabers al-Burhans. Russische Akteure sollen mit der RSF beim Goldabbau zusammengearbeitet haben – aber Moskau verhandelt mit al-Burhan auch seit langem über eine Flottenbasis.
Welche Ziele verfolgt die RSF - und wie geht sie vor?
Die RSF will ihre Kontrolle in strategisch wichtigen Regionen festigen, aktuell vor allem in Darfur und Kordofan, und sich als legitime politische Kraft etablieren. Letztlich will sie die Regierung im Sudan übernehmen. Offiziell propagiert die RSF Ziele wie Demokratie, Dezentralisierung und Gerechtigkeit, verfolgt in der Praxis aber vor allem die Sicherung von Macht, Ressourcen und politischem Einfluss. Die Miliz ist für brutale Verbrechen bekannt, einschließlich des Niederbrennens ganzer Dörfer, Folter, Massenvergewaltigungen und Hinrichtungen. Sie hatte Schätzungen zufolge vor dem Krieg rund 100.000 Kämpfer, die auch als Söldner im Ausland dienten.
Hat US-Präsident Trump sich auch in diesen Konflikt eingeschaltet?
Die USA sind seit Beginn des Konflikts an der Vermittlung von Feuerpausen beteiligt und haben Sanktionen gegen einzelne Akteure verhängt. Kritiker bemängeln aber, dass die USA nie ernsthaft Druck gemacht hätten. Unter US-Präsident Donald Trump kam seit dem Sommer wieder Fahrt auf. Die USA engagieren sich mit Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten. Ihr Fahrplan setzt auf eine dreimonatige Waffenruhe für humanitäre Hilfe sowie einen neunmonatigen Übergang zu einer zivil geführten Regierung. Radikale Gruppen sollen ausgeschlossen und regionale Einmischungen zurückgewiesen werden. Der Vorstoß trägt bislang aber kaum Früchte. Al-Burhan hat Verhandlungen mit der RSF ausgeschlossen.




