Pentagon-Chef Hegseth gerät an mehreren Fronten unter Druck
Veröffentlicht: Freitag, 05.12.2025 02:56

Trumps Regierung
Washington (dpa) - Ob sein nachlässiger Umgang mit sensiblen Militärdaten, neue Richtlinien für die Presse oder ein umstrittener Einsatz des US-Militärs in der Karibik: Pentagon-Chef Pete Hegseth gerät zunehmend unter Druck. Am Donnerstag stand der Verteidigungsminister, der sich inzwischen Kriegsminister nennt, gleich in mehrerer Hinsicht im Fokus:
Signal-Affäre
Das Aufsichtsgremium seines Ministeriums kommt zu dem Schluss, Hegseth habe durch seinen Umgang mit sensiblen Militärinfos riskiert, US-Soldaten zu gefährden. Weil er ein privates Handy für dienstliche Angelegenheiten nutzte und öffentlich nicht zugängliche Einsatzdetails über die App Signal teilte, hätte Personal zu Schaden kommen können, heißt es in einem teils geschwärzten Untersuchungsbericht, der nun veröffentlicht wurde. Auch Einsatzziele hätten durch den Austausch hochsensibler Informationen zu einem Angriff auf die Huthi-Miliz im Jemen im März gefährdet werden können.
Wenn diese Informationen in die Hände von Gegnern der USA gelangt wären, hätten Huthi-Kräfte möglicherweise in der Lage sein können, gegen US-Streitkräfte vorzugehen oder sich neu zu positionieren, heißt es weiter. «Auch wenn diese Ereignisse letztlich nicht eingetreten sind, stellten die Handlungen des Ministers ein Risiko für die operative Sicherheit dar, das zum Scheitern der Missionsziele der USA und zu einer potenziellen Gefährdung von US-Piloten hätte führen können.»
Pentagon-Sprecher Sean Parnell wertete die Ergebnisse der Überprüfung auf der Plattform X dennoch als «VOLLSTÄNDIGE Entlastung von Minister Hegseth». Sie beweise, dass keine geheimen Informationen geteilt worden seien. Tatsächlich heißt es in dem Bericht, Hegseth habe auf seinem Privattelefon sensible Informationen über Signal verschickt, die er als nicht geheim einstufte. Verstöße gegen Richtlinien des Pentagons sieht der Bericht trotzdem: in der Nutzung des Privattelefons beziehungsweise einer nicht autorisierten, kommerziell betriebenen App.
Die Signal-Affäre geriet im Frühjahr in die Schlagzeilen, als das US-Magazin «The Atlantic» die Inhalte eines Chats öffentlich machte. Zuvor war dessen Chefredakteur - vermutlich versehentlich - vom damaligen Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz in die Signal-Gruppe eingeladen worden. Der Journalist konnte sensible Informationen zu einem US-Militäreinsatz gegen die Huthi-Miliz im Jemen in der App live mitlesen. Hegseth, der genau wie andere oberste Führungsköpfe zur nationalen Sicherheit der USA Mitglied des Chats war, machte darin detaillierte Angaben über Waffen und Angriffszeiten. Später berichteten Medien, dass er die Militärpläne auch mit seiner Ehefrau und anderen Personen geteilt habe.
Angriff auf Überlebende
Der US-Verteidigungsminister steht auch wegen eines besonders umstrittenen Angriffs des US-Militärs auf ein angebliches Drogenschmugglerboot in der Karibik in der Kritik. Anfang September sollen dabei zwei Menschen, die einen ersten Angriff zunächst überlebt hatten, danach vom Militär getötet worden sein. Diese zweite Attacke könnte laut Experten gegen das Völkerrecht verstoßen haben – die Männer hatten sich der «Washington Post» zufolge an das Wrack geklammert und stellten keine unmittelbare Bedrohung dar.
In Berichten der Zeitung und des Senders CNN hieß es, Hegseth habe zuvor selbst die Anweisung gegeben, «alle zu töten». Allerdings ist laut CNN unklar, ob er vor dem zweiten Angriff von den Überlebenden wusste. Hegseth selbst bestritt jüngst eine direkte Verantwortung für den zweiten Angriff. Er persönlich habe keine Überlebenden gesehen. Er habe erst ein paar Stunden später erfahren, dass der zuständige Kommandant, Admiral Frank M. Bradley, die Entscheidung für einen zweiten Angriff getroffen hatte, «zu der er voll und ganz befugt war».
Beobachter befürchten, dass Bradley in der Affäre als Sündenbock herhalten könnte. Am Donnerstag entlastete er Hegseth: Der Admiral habe vor Kongressmitgliedern angegeben, keinen Befehl erhalten zu haben, «alle zu töten», sagten der republikanische Senator Tom Cotton und der demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses, Jim Himes.
Doch Forderungen nach Aufklärung zu dem US-Vorgehen und Hegseths Rolle dürften damit nicht vom Tisch sein. Der demokratische US-Senator Jack Reed etwa forderte nun auf der Plattform X, dass das Pentagon das vollständige und unbearbeitete Videomaterial zu dem zweiten Angriff veröffentlichen solle.
«New York Times»-Klage
Angestoßen wurde die Debatte über den umstrittenen US-Angriff durch Medienberichte, die sich auf mit der Situation vertraute Personen beriefen. Der Fall zeigt daher exemplarisch, welche Relevanz die Berichterstattung über das militärische Vorgehen der USA haben kann - auch wenn die Zugänge im Pentagon für Journalistinnen und Journalisten unter Hegseth eingeschränkt wurden.
Seit Oktober gelten neue Richtlinien, die vorsehen, dass Reporter keine Informationen ohne Genehmigung des Ministeriums veröffentlichen dürfen – andernfalls droht der Entzug ihrer Akkreditierung. Berichterstatter, die der Einhaltung der Vorgabe nicht zustimmten, mussten ihre Arbeitsplätze räumen. Nahezu alle großen US-Medienhäuser haben die Regeln abgelehnt, darunter auch der den Republikanern nahestehende Sender Fox News, für den Hegseth früher tätig war, und die «New York Times».
Die renommierte Tageszeitung reichte nun Klage gegen das Pentagon und Hegseth ein. Darin argumentiert sie, die neue Richtlinie verstoße gegen den ersten Verfassungszusatz und ziele darauf ab, «die Fähigkeit von Journalisten einzuschränken, das zu tun, was Journalisten schon immer getan haben: Regierungsangestellten Fragen zu stellen und Informationen zu sammeln». Dies sei nötig, um Artikel zu veröffentlichen, die mehr böten als offizielle Verlautbarungen. Der erste Zusatzartikel der US-Verfassung schützt unter anderem die Pressefreiheit.


