Putin und Selenskyj: Was spricht gegen ein rasches Treffen?

Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj
© Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin via AP/Stephanie Lecocq/Pool Reuters/AP/dpa/dpa

Krieg in der Ukraine

Moskau/Kiew (dpa) - Binnen zwei Wochen sollen sich Kremlchef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj treffen - das war die hoffnungsvolle Botschaft von US-Präsident Donald Trump nach seinen Spitzentreffen in Alaska und Washington. Doch dass Putin angeblich zu einem solchen Treffen bereit ist, weiß die Welt nur aus Trumps Worten. 

Selenskyj fordert seit langem eine Begegnung mit Putin, um ein Ende von dessen dreieinhalbjährigem Angriffskrieg gegen die Ukraine zu erreichen. Doch der Kremlchef müsste über seinen Schatten springen, er baut hohe Hürden für ein Treffen auf. Fragen und Antworten zu einem schwierigen Verhältnis:

Wie ist die persönliche Chemie zwischen den beiden?

Sie existiert nicht. Der Geheimdienstoffizier Wladimir Putin (72) herrscht seit einem Vierteljahrhundert zunehmend autoritär über sein Riesenreich. Er versteht den Zerfall der Sowjetunion als Kränkung und hat eine Rechnung mit dem Westen offen. Er will Russland zur Ordnungsmacht auf dem europäischen Kontinent machen, da stört eine unabhängige Ukraine.

Selenskyj (47) war erfolgreicher Komiker und Fernsehmacher, bevor er 2019 in die Politik ging. Seine Regierungsbilanz war gemischt. Doch als Russland im Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte, ließ er sich nicht in die Flucht schlagen und wurde weltweit zum Gesicht des ukrainischen Widerstands.

Sind sich Putin und Selenskyj schon einmal begegnet?

Ja, und das lief nicht gut. Es war 2019 in Paris, und Selenskyj war kurz zuvor gewählt worden wegen seines Versprechens, mit Moskau eine Verständigung zu finden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) saßen mit am Tisch. 

Dieses sogenannte Normandie-Quartett sollte den seit 2014 von Russland geschürten Konflikt in der Ostukraine beilegen. Doch Putin ließ den Ukrainer auflaufen und machte keine Zugeständnisse.

Wie stellt die russische Propaganda Selenskyj dar? 

Seit der Krieg läuft, haben Putin und die Moskauer Führung Selenskyj in den schwärzesten Farben gemalt. Putin nannte ihn eine «toxische Figur». In der Ukraine herrschten Nazis, hieß es aus dem Kreml, obwohl Selenskyj jüdischer Herkunft ist. Der ukrainische Präsident wurde als drogensüchtig, als willenlose Marionette des Westens verunglimpft. 

Obwohl Putin selbst nur mit Hilfe unfreier Wahlen an der Macht ist, zieht Moskau Selenskyjs Legitimität in Zweifel: Dessen Amtszeit sei 2024 abgelaufen. Die ukrainischen Gesetze verbieten Wahlen während eines Krieges. Selenskyj hat seinerseits Putin immer wieder Terrorismus vorgeworfen und ihn auch mal als Vollidioten bezeichnet.

Russlands Propaganda mit dem mächtigen Fernsehen hätte es also schwer, dem Publikum eine Kehrtwende nahezubringen. Putin müsste erklären, warum er «zusammensitzt mit einem Präsidenten, den er für einen Witz hält, aus einem Land, das nicht existiert.» Das sagte die ukrainische Politologin Oryisa Lutsevich von der britischen Denkfabrik Chatham House dem US-Sender CNN. 

Wie sieht die militärische Lage für Putin aus?

Der Kremlchef sieht sich auf der Siegerstraße. Seine Truppen rücken in der Ostukraine vor. Er vertraut darauf, dass sein Land genug Menschen und Material mobilisieren kann - anders als die kleinere Ukraine. Deshalb erwartet Moskau bislang, dass Putin sich nur mit Selenskyj oder einem anderen Vertreter aus Kiew treffen muss, wenn die Ukraine kapituliert. 

Andererseits wird der russische Vormarsch mit hohen Verlusten erkauft. Auch die russischen Mobilisierungszahlen sinken. Im Schwarzen Meer hält die Ukraine die russische Flotte in Schach. Die zunehmenden Drohnentreffer der Ukraine auf Raffinerien, Energieanlagen oder Bahnstrecken im russischen Hinterland sind für Putin ein Ärgernis. 

Was sagt der Kreml zu einem möglichen Treffen?

Eine Begegnung mit Selenskyj wird nicht direkt abgelehnt, aber auf eine möglichst lange Bank geschoben. Moskau sei für jedes Gesprächsformat offen, sagte Außenminister Sergej Lawrow. «Aber alle Kontakte unter Beteiligung der Staatschefs müssen äußerst sorgfältig vorbereitet werden.» 

Nach Ansicht Moskaus müssen zuerst Delegationen auf unterer Ebene eine Vereinbarung aushandeln. Erst dann treten die Staatschefs selbst auf den Plan und unterzeichnen die vorverhandelte Abmachung. Bei den seit Mai laufenden bilateralen Verhandlungsrunden zwischen Kiew und Moskau gab es bisher wenig Fortschritte. Vereinbart wurden mehrere Gefangenenaustausche. Bei den Bedingungen für eine Waffenruhe oder gar einen endgültigen Frieden liegen aber beide Seiten weit auseinander.

Zwischen Trump und Putin sei besprochen worden, dass die bisherigen direkten Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew auf höherer Ebene geführt werden sollen als bisher, sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow. Aber auch er sprach nicht von einem Treffen der Präsidenten.

Gibt es also gar keine Chance auf eine direkte Begegnung? 

Die Aufforderung zu einem Treffen kam immerhin von Trump, mit dem Putin es sich nicht verderben möchte. Der Kremlchef will mit den USA weiter über strategische Fragen sprechen - das könnte sein Kalkül beeinflussen. 

Aber überall sind die Erwartungen gering. «Ich kann mir kaum vorstellen, dass Selenskyj, Putin und andere an einem Tisch sitzen und überhaupt über etwas sprechen, geschweige denn sich einigen», sagte der ehemalige ukrainische Botschafter in Moskau, Wolodymyr Jeltschenko, der «Ukrajinska Prawda».

«Um es klar zu sagen: Putin wird Selenskyj unter den jetzigen Umständen nicht treffen», schrieb auch die im Exil lebende russische Politologin Tatjana Stanowaja im Netzwerk X. «Er hat mehrfach gesagt, dass ein solches Treffen erst möglich ist, wenn die richtige Grundlage gelegt ist, was in der Praxis bedeutet, dass Selenskyj Russlands Bedingungen für ein Kriegsende akzeptiert.»

Wo könnten die nächsten Spitzentreffen stattfinden?

Bei der unsicheren Aussicht auf eine Begegnung zwischen Putin und Selenskyj ist auch die Ortswahl schwierig. Die Schweiz wäre bereit, den Vatikan lehnt Moskau ab. Eher würden sich Russland und die Ukraine wohl wie zuletzt in der Türkei oder Saudi-Arabien treffen. 

Trump ist nach einem ersten Gespräch zwischen Putin und Selenskyj auch zu einem schnellen Treffen zu dritt bereit. Dafür soll sein Secret Service bereits Vorbereitungen in der ungarischen Hauptstadt Budapest treffen, wie die Website «Politico» berichtete. Bestätigt ist das nicht. Weil Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán die Annäherung der Ukraine an die EU blockiert, dürfte Budapest für Selenskyj eher kein neutraler Ort sein.

© dpa-infocom, dpa:250820-930-933342/2
Ukraine-Gipfel in Paris
Da war Selenskyj noch hoffnungsvoll: 2019 bei einer Begegnung mit Putin in Paris. (Archivbild)© Ian Langsdon/EPA Pool/AP/dpa
Da war Selenskyj noch hoffnungsvoll: 2019 bei einer Begegnung mit Putin in Paris. (Archivbild)
© Ian Langsdon/EPA Pool/AP/dpa
Ukraine-Krieg - Saporischschja
Russlands Angriffskrieg hat viele ukrainische Städte verheert. (Archivbild)© Kateryna Klochko/AP/dpa
Russlands Angriffskrieg hat viele ukrainische Städte verheert. (Archivbild)
© Kateryna Klochko/AP/dpa

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